Johst Klems – earnesto
Johst Klems ist Geschäftsführer der earnesto GmbH in Düsseldorf, die sich als Unternehmensberater für die Zukunft der Kommunikation versteht. Im Interview spricht er über die jüngste Entwicklung der B2B-Kommunikation und analysiert, welche Rolle Social-Media-Plattformen dabei spielen.
Mediennetzwerk.NRW: Hallo Johst! Social Media hat sich längst im Arbeitsalltag etabliert. Was zeichnet gute Unternehmenskommunikation mit Social Media aus?
Johst Klems: Social Media ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Medienkonsums geworden. Generationsübergreifend sind die Nutzungszahlen der Netzwerke hoch. Es sind neben den Klassikern wie Facebook, Twitter und YouTube viele weitere Netzwerke entstanden, die heute die „Social Media Welt“ ausmachen. Geht diese Welt noch einmal weg? Wahrscheinlich nicht – also ja, Social Media ist etabliert und wir sollten es für uns nutzen. Gute Unternehmenskommunikation im Social Web hat in erster Linie ein klares Ziel. Wenn Kommunikation weiß, was sie will, hat sie die Chance gut zu werden. Damit meine ich als Ziel nicht „abverkaufen“, „Leads generieren“ oder „Fans aufbauen“. Sondern Ziel ist es, eine klare Antwort darauf zu haben, warum der Empfänger das, was ich mache, gut finden wird – habe ich diese Antwort, sind Social Media Maßnahmen meistens besser.
Wie kann diese Antwort aussehen?
Das ist nicht zu pauschalisieren. Das hängt von Zielgruppen, vom Produkt, der Marke und/oder dem Unternehmen ab. Die Erfahrung zeigt zudem, dass es im Social Web mehr braucht als gute Botschaften. Wann immer ich als Unternehmen im Social Web aktiv werde, konkurriere ich mit anderen privaten Accounts, professionellen Accounts, mit der Konkurrenz, mit Medien, mit Influencern etc. um die Aufmerksamkeit meiner potentiellen Kund:innen. Was ich dort mache, sollte auf eine authentische Art und Weise einen Mehrwert bringen – anders, besser, spannender, tiefer, lustiger als die Alternativen um mich herum. Den eigenen USP innerhalb der Kommunikation zu finden ist der Schlüssel zu erfolgreichem Social Media Marketing. Ein bisschen mehr wie ein Medium und weniger wie eine Marketingabteilung zu denken ist sicher ein guter Weg, um sich dem zu nähern. Da unterscheidet sich die B2B-Kommunikation übrigens nicht von der B2C-Kommunikation.
„Den eigenen USP innerhalb der Kommunikation zu finden ist der Schlüssel zu erfolgreichem Social Media Marketing.“
Johst Klems
Spielt Social Media in der B2B-Kommunikation heutzutage noch immer eine untergeordnete Rolle in der Unternehmenskommunikation? Oder gibt es die Tendenz sich vom traditionell einseitigen Kommunikationsmodell zu lösen?
Sagen wir mal so: Oft waren B2B-Unternehmen gar nicht gefordert ein besonderes Augenmerk auf Kommunikation zu legen. Der Vertrieb war hier oft die Kommunikationsabteilung und persönliche Netzwerke die Zielgruppe. Die Welt verändert sich. Wir stehen vor neuen Herausforderungen: Fachkräftemangel, Corona, Haltungsdebatten, New Work, der steigende Einfluss der Kunden auf Augenhöhe mit den Unternehmen in Kontakt zu treten. B2B-Unternehmen öffnen sich mehr und mehr den Möglichkeiten der sozialen Medien und nutzen die Chancen, die damit verbunden sind. Lenken wir unseren Blick auf LinkedIn und Xing, so stieg die Nutzung der Businessnetzwerke in den letzten 15 Monaten deutlich an. Je nach Statistik liegen wir hier bei einem Zuwachs von deutlich über 80 Prozent im Corona-Zeitraum. Und warum? Weil Business auch immer der Austausch mit Menschen ist. Die sozialen Medien haben ihren Namen daher, dass sie Plattformen für menschlichen Austausch sind. Hier schließt sich der Kreis. In genau diesen Austausch zu treten, sich zu zeigen, seine Geschichte zu erzählen und seine Meinung zu sagen, ist schon immer der Kern von Kommunikation. Jetzt gilt es Wege zu finden, wie man sich als B2B-Unternehmen diese Form zu Nutze macht.
Gibt es also eine Tendenz sich von alten Denkmustern zu lösen?
Auf jeden Fall.
Tun sich viele Unternehmen schwer?
Auch auf jeden Fall. Es ist etwas anderes, eine Anzeige für ein Fachmagazin zu organisieren als ein LinkedIn Beitrag zu schreiben, der danach auch noch kommentiert wird. Die Aufgaben werden komplexer, es liegen keine oder wenige Erfahrungswerte vor. Das schreckt viele Entscheider:innen ab.
Welche Plattformen nutzt das B2B-Marketing?
Im Wesentlichen sind hier sicherlich LinkedIn und XING zu nennen, wenn wir uns wirklich auf Netzwerke konzentrieren. Allerdings greift mir diese Betrachtung zu kurz. Menschen sind Business und Business ist oft eine Frage des Vertrauens. Wir vertrauen nicht Unternehmen, wir vertrauen Menschen. Je mehr Eindrücke und Informationen ich zu einem Menschen habe, desto besser kann ich beurteilen, ob ich ihm vertraue. Neben Vertrauen gibt es übrigens auch noch so etwas wie Sympathie, aber das Thema lassen wir für den Moment außen vor. Wenn mir, als Geschäftsführer einer Agentur, ein Kunde oder eine Kundin auf Instagram folgt und ein paar Eindrücke gewinnt, was ich da so von mir gebe, womit ich mich beschäftige, dann kann das ihr Bild zusätzlich formen. Wir sind soziale Wesen. Business ist nichts, das wir aus dem „normalen“ Leben ausklammern können. Das ist der Paradigmenwechsel in der Denke und das bedeutet auch, dass jedes soziale Netzwerk für B2B-Kommunikation geeignet sein kann. Ach, und noch ein Satz dazu: Ich weiß, dass diese Vermischung von privat und beruflich nicht jeder Person gefällt. Diesen Zug halte ich tatsächlich für längst abgefahren. Viele von uns arbeiten im Homeoffice und genießen es in Teilen. Aus meiner Sicht eine schöne Verbildlichung aus unseren aktuellen Realitäten für das, was ich gerade beschrieben habe: auch der private Raum ist irgendwie Business.
„Grundsätzlich kommt B2B-Kommunikation in den sozialen Medien meist einem Change-Prozess im Unternehmen gleich.“
Johst Klems
Welche sind die größten Erfolgsfaktoren in der B2B-Social-Media-Kommunikation?
Die Veränderung annehmen. Den Mut haben, eigenständig zu denken und nicht nur nach links und rechts zu schauen, was die anderen machen. Standard führt zu Standard. Im Bewusstsein zu agieren, dass es nicht den einen Weg gibt. Den Mut haben, zu investieren und es konsequent zu machen – die Zukunft wird es danken. Sich von Werbebotschaften aus vergangenen Tagen verabschieden und sie in die neue Welt übersetzen. Augenhöhe leben. Alles weitere sind individuelle Strategien.
Wie wichtig ist es, ein festes Budget für Social Media einzuplanen? Und gibt es einen Richtwert hinsichtlich der Höhe des Budgets für erfolgreiche B2B-Kommunikation in den sozialen Netzwerken?
Budgets sind schlussendlich nicht zwingend entscheidend. Es gibt richtig gute Ideen und Herangehensweisen, die nicht zwingend teuer sein müssen. Was ich aber nicht unausgesprochen lassen möchte: Grundsätzlich kommt B2B-Kommunikation in den sozialen Medien meist einem Change-Prozess im Unternehmen gleich. Um nur ein Beispiel zu nennen, was ich damit meine: das Thema Abstimmungsprozesse: Was dürfen Mitarbeitende auf LinkedIn im Namen der Firma von sich geben? Muss das freigegeben werden? Gibt es Richtlinien? Wie hat man das eigentlich früher auf Messen kontrolliert, wenn keiner zugehört hat? Und schon sind wir in einem Thema, wo wir nicht darüber reden, wer jetzt den Beitrag für LinkedIn schreibt und wer das Bild dazu entwirft – aber zu klärenden Fragen und Prozesse, die drum herum entstehen. Von daher ist Budget – oder besser übersetzt als „Aufwand“ – schwer zu kategorisieren. Je nach Zustand des Unternehmens kann man recht zügig gute Kommunikation gestalten. Es gibt aber auch Erfahrungswerte von Projekten in Unternehmen, in denen erst einmal Strukturen geschaffen werden mussten, die einiges an Aufwand erforderten. ABER ich persönlich empfinde solche Prozesse als grundsätzliche Ausrichtung auf die Zukunft von Unternehmen. Weshalb ich hier auch nicht von Marketingbudgets sprechen würde. Wir reden hier von Unternehmensentwicklungsbudgets. Vielleicht ist das ein passender Satz für das Ende unseres Interviews. B2B-Social-Media ist aus meiner Sicht weniger Kommunikationsdisziplin als vielmehr Infrastruktur eines modernen, auf eine digitale Welt ausgerichteten Unternehmens.
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